Data-Driven Marketing

Langfristige Kundenbindung mit Hilfe von „Advanced Analytics“

Teil 3 der BLOGSERIE:

Data-Driven Marketing

„Data-Driven Marketing: Wie die kundenzentrierte Ansprache in Zukunft gelingt.“

Erscheinungsintervall: alle 6 Wochen

Lesedauer: 5 Min.

Lesen Sie hier die anderen Beiträge dieser Blogserie:

Im letzten Blogbeitrag „Mit Open Source Tools individuelle Reports erstellen“ haben wir eine einfache technische Infrastruktur auf Basis von Open Source Tools wie Spark und jupyter vorgestellt, die uns erlaubt, ohne viel Aufwand Webanalytics Daten zu untersuchen und einfache Reportings zu erstellen. Webanalytics Daten bilden im E-Commerce die Interaktion des Kunden mit dem Internet-Shop ab und sind daher eine wichtige Grundlage für einen Data-Driven Marketing-Ansatz.

Aber welche Analysen können konkret eingesetzt werden, um die Marketing Aktivitäten zu unterstützen?  Die plakative, einfache Antwort ist:  Das hängt gänzlich von der momentanen Situation und der aktuellen Ziele ab.

An welchen Stellen kann „Advanced Analytics“ wichtige Erkenntnisse bringen?

Die Anwendungen von Advanced Analytics im Bereich Marketing sind, sofern die dafür notwendigen Daten zu Verfügung stehen, sehr vielfältig:

Die Kaufgewohnheiten der Kunden erkennen:

  • Warenkorb-Analyse
  • Einkaufsgewohnheiten und grundlegendes Besucherverhalten

Erfolg von Marketing Maßnahmen messen und optimieren

Kunden besser verstehen:

  • Segmentierung
  • Gewinnung bzw. Entwicklung von speziellen Kundensegmenten
  • Steigerung der Loyalität

Steigerung der Kundenbindung:

  • Die User Experience beim Einkaufen personalisieren
  • Konsistente User Experience über verschiedene Kanäle hinweg
  • Personalisierte Preisoptimierung

Marktbeobachtung und Strategie: Social Media Analytics

Vorgehensweise und Analyse-Stufen

Bevor man was optimieren kann, sind Erkenntnisse über den aktuellen Zustand notwendig. Deskriptive Analysen zielen darauf, die Frage zu beantworten: Was ist passiert? Hierfür werden die relevanten Zusammenhänge mit Hilfe von Metriken und Reports abgebildet. Was relevant ist, hängt von der momentanen Situation ab. Als Beispiel werden in Tabelle 1 typische Lebensphasen eines Shops und entsprechende Metriken aufgeführt, die zur Beurteilung der aktuellen Situation dienen können. Wie wir am Beispiel der Bounce-Rate im vorherigen Beitrag gesehen haben, lässt sich ein Teil dieser Metriken mit Hilfe unserer einfachen Analytics Infrastruktur aus den Webanalytics Daten berechnen und visualisieren.


Mögliche Phasen eines E-Commerce Shops

Validierung: Nach dem Start des Shops gilt es zu überprüfen, ob die Idee grundsätzlich funktioniert und das Produktsortiment den richtigen Markt anspricht. Erst wenn das gegeben ist, macht Wachstum Sinn.

Übliche Metriken zur Beschreibung des aktuellen Zustands
  • Customer Lifetime Value (LTV)
  • Returning Visitors > 20%
  • Time On Site ca. 120s
  • Bounce Rate
  • Pages Per Visit : 4

Optimierung: Wird der Shop grundsätzlich angenommen, soll sichergestellt werden, dass dem Kauf nichts im Wege steht und neue Kunden ohne Hindernisse akquiriert werden können.

  • Conversion Rate
  • Page Load Time
  • Customer Acquisition Cost: Marketing Ausgaben vs. Anzahl Kauftransaktionen
  • Funnel Analyse

Optimierung: Wird der Shop grundsätzlich angenommen, soll sichergestellt werden, dass dem Kauf nichts im Wege steht und neue Kunden ohne Hindernisse akquiriert werden können.

  • Conversion Rate
  • Page Load Time
  • Customer Acquisition Cost: Marketing Ausgaben vs. Anzahl Kauftransaktionen
  • Funnel Analyse

Wachstum: Nachdem die Idee validiert ist und die Kunden effizient einkaufen können, wird in dieser Phase in Marketing investiert, um neue Kundensegmente zu gewinnen, und das Angebot wird optimiert.

  • Revenue
  • Anzahl Transaktionen
  • Durchschnittswert einer Transaktion
  • Unique Visitors
  • Bewertung einzelner Acqusition Channels:
    • SEO: Search volume, Average ranking position, Revenue, usw.
    • Email-Marketing: Anzahl von Newsletter-Abonnenten, Verkäufe über E-Mail, Click-through-Rate, Abbestell-Rate, usw.
    • ….

Mit dem Erfassen des Ist-Zustands ergeben sich in der Regel neue Fragestellungen und Ziele, die durch geeignete Maßnahmen unterstützt werden sollen. Beispielsweise möchte man in der Wachstumsphase unterschiedliche Kunden differenziert behandeln. Dafür kann man Kampagnen für spezifische Kundengruppen starten oder die Kunden sogar personalisiert ansprechen, indem man ihnen Angebote macht, die auf ihr bisheriges Kaufverhalten abgestimmt sind. Aber wie lassen sich Kundensegmente identifizieren? Und wie erkenne ich Kunden, um die ich mich besonders kümmern sollte, da sie sehr profitabel werden könnten? Wann wird eine Kampagne erfolgreich?

Bei dieser Art von Fragestellungen, deren Beantwortung eine Art automatische Klassifikation voraussetzt, spricht man von prädiktiver Analyse. Hierbei werden verschiedene Methoden des Maschinellen Lernens eingesetzt, um bspw. Kundensegmente mittels eines nicht überwachten Lernansatzes wie Clustering zu bestimmen.

In einer weiteren Entwicklungsstufe soll auf bestimmte Situationen automatisch reagieren werden. Ein Beispiel wäre, je nach Jahreszeit Empfehlungen für unterschiedliche Kundenarten automatisch im Shop zu präsentieren, oder Preise automatisch anzupassen. Die Analyse gibt dann vor, was zu tun ist, weswegen sie präskriptiv genannt wird – man spricht hier auch gerne von „Künstlicher Intelligenz“, wobei ebenfalls Methoden der Künstlichen Intelligenz zum Einsatz kommen.

Ein Beispiel: Neukunden erfolgreich binden mit Hilfe von Analytics

Um es nicht bei der Theorie zu belassen, wollen wir diese Vorgehensweise anhand der Webanalytics Daten für den Google Merchandise Store für ein konkretes Ziel durchlaufen.

Ein Allgemeinplatz im Marketing, der natürlich auch im E-Commerce gilt, lautet: Neukunden sind teuer, Bestandskunden sind günstig. Auch wenn das sicher nicht für jeden Kunden gilt, kostet in der Regel die Akquise eines neuen Kunden deutlich mehr, als einen Bestandskunden zu einem neuen Kauf zu bewegen – eine längerfristige Bindung der Kunden an das Unternehmen ist deswegen oberstes Ziel.

Dabei soll uns die Analyse helfen, das momentane Wiederkaufsverhalten zu verstehen: Eine deskriptive Analyse soll uns helfen, Chancen zu erkennen, um Neukunden dauerhaft zu binden.

Grundlegendes Kaufverhalten und Abwanderung

Für die Umsetzung nutzen wir unsere einfache Open-Source Architektur. Das Jupyter-Notebook, in dem wir die Webanalytics Daten einlesen und die Berechnungen in Spark durchführen, kann hier runtergeladen werden.

Die erste Frage ist: Haben wir überhaupt Kunden, die mehrmals vorbeikommen und einen zweiten Kauf tätigen?

Wie viele Käufe ein Besucher im Durchschnitt tätigt, ist in der Tat mit SQL Abfragen und einem Spark DataFrame leicht zu berechnen:

Data-Driven-Marketing-Blog_Teil3_1

Da wir jetzt wissen, dass ein Kunde im Durchschnitt mehr als einmal einkauft, interessiert uns die durchschnittliche Zeit, die bis zum zweiten Kauf vergeht. Die Berechnung ist diesmal etwas komplizierter und schließt die Verwendung einer sog. Window-Funktion ein. In einem Fenster auf dem DataFrame werden alle Käufe eines einzelnen Besuchers zeitlich sortiert betrachtet und für jeden Kauf der Abstand zum Erstkauf des Kunden in Tagen berechnet. Details können dem Beispiel-Notebook entnommen werden, wir präsentieren hier nur das Ergebnis:

Data-Driven-Marketing-Blog_Teil3_1

Nach diesen Auswertungen ahnen wir bereits, dass uns die meisten Kunden nach dem ersten Kauf verlassen. Eine gängige Metrik, um eine solche Abwanderung zu messen, ist die sog. „churn rate“ oder Abwanderungsrate. Sie gibt an, welcher Anteil der Kunden am Ende eines Zeitintervalls, bspw. der Vertragslaufzeit oder eines Zeitfensters, verloren gehen.

Churn(Zeitintervall) = 1 – ( Kunden(Ende) / Kunden(Beginn) )

Kunden(Beginn): Anzahl der Kunden, die im letzten Zeitintervall was gekauft haben

Kunden(Ende): Anzahl der Kunden, die zu Kunden(Beginn) zählten und im aktuellen Zeitintervall was gekauft haben (keine reine Neukunden)

Da beim Shop keine Verträge mit fester Laufzeit abgeschlossen werden, betrachten wir einfach Kalendermonate für die Berechnung der Abwanderungsrate. Das passt auch gut zu den durchschnittlichen 28 Tagen bis zu einem Folgekauf, die wir ermittelt haben.

Data-Driven-Marketing-Blog_Teil3_3
Abbildung 3: Abwanderungsrate nach Ablauf eines Monats. (Monat 8 steht für August 2016, Monat 19 für Juli 2017).

Wir verlieren also im Monat zwischen 94 – 99% der Kunden. Können wir was dagegen unternehmen? Oder wenigstens Kosten für die Erstakquise sparen?

Detailanalyse: Verhalten nach dem Erstkauf

Um Strategien zur Steigerung der Kundenbindung zu entwickeln, hilft uns eine differenzierte Analyse des Verhaltens nach dem Erstkauf. Wir können uns zum einem fragen, warum ein Kunde uns dauerhaft verlässt. Zum anderen wollen wir verstehen, wie wir im Falle eines Wiederkaufs am besten ansetzen. Wir konzentrieren uns hier auf die zweite Frage und machen eine Auswertung bisheriger Wiederkäufe.

Über welchen Kanal kommen meine Kunden zurück?

Für jeden Marketingkanal der Erstakquise wollen wir verstehen, über welchen Kanal der Kunde tendenziell wieder für den Zweitkauf kommt. Das würde uns erlauben, jede Akquise-Gruppe mit sinnvollen Reaktivierungsmaßnahmen zu versorgen und Kunden aus teuren Marketingkanälen wie „Paid-Search“ möglichst in kostengünstigere Kanäle (z.B. „Direct“) überzuführen.

Von der Analyse Methode her bietet sich eine sog. Kohorten-Analyse an: Die Kunden werden nach einem Erstkauf-Kriterium in Gruppen (Kohorten) unterteilt – in diesem Fall nach dem Akquise-Kanal – und je nach Wiederkaufsverhalten – hier: Rückkehrkanal – abgebildet. Das Ergebnis stellen wir als „Heat-Map“ dar, bei dem die Farbe in einem Kasten für einen Akquise-Kanal (y-Achse links) den Anteil der Folgekäufe über einen Rückkehrkanal (x-Achse unten) darstellt (ganz rot= 100%). Für die Berechnung benutzen wir neben einer Window-Funktion für die Reihenfolge der Käufe zusätzlich einen „join“, um Erst- und Zweitkanal gegenüberzustellen, s. Notebook.

Data-Driven-Marketing-Blog_Teil3_4
Abbildung 4: Akquise-Kanal (links) vs. Reaktivierungskanal (unten). Auffällig ist, dass die Käufer dem Kanal treu bleiben (rote Farbe). Beim Erstkanal „Display“ (Anzeige) ist jedoch eine zusätzliche Abwanderung zur direkten Suche („Organic Search“) bzw. eine Bereitschaft, Verlinkungen anzuclicken („Referral“), zu beobachten. Anzeigen in der Suche („Paid Search“) führen später auch zu Besuchen über das direkte Suchergebnis („Organic Search“). Soziale Netzwerke („Social“) hingegen scheinen eine abgeschlossene Welt zu sein, die sich für die Reaktivierung nicht über andere Kanäle erreichen lässt.

Wann werden Kunden nach dem Erstkauf wieder aktiv?

Ähnlich wie bei den Kanälen stellen wir für jeden Monat des Erstkaufs die Verteilung über die Monate für den Zweitkauf dar.

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Abbildung 5: Verteilung von Zweitkäufen über die Monate (unten) abhängig des Monats vom Erstkauf (links). Die höheren Wiederkaufsraten sind auf der Diagonale zu finden, was gut zu den ermittelten durchschnittlichen 28 Tagen für den Zweitkauf passt. In den Anfangsmonaten 8-12 verteilen sich die Folgekäufe über einen Zeitraum von ca. 9 – 10 Monaten, danach scheint dieser Zeitraum sich zu verkürzen. Die roten Kasten für die Monate 19 – 20 sind irreführend: uns fehlen die Daten für die Folgemonate, weswegen die Zweitkäufe, wenn es sie gibt, vergleichsweise verstärkt im selben Monat fallen.

Ein guter Zeitpunkt für Reaktivierungsmaßnahmen liegt demnach, bevor ein Monat nach dem Erstkauf vergangen ist.

Welche Produkte bewegen zu einem Folgekauf?

Da im Store eine Vielzahl an Produkten angeboten werden, ist eine Kohortenanalyse der Produkte zu feingranular, um bei der verfügbaren Datenmenge Schlüsse ziehen zu können. Wir vergleichen daher nur die Top-20 Produkte bei Erst- und Folgekäufe.

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Abbildung 6: Top-20 Produkte bei Erstkäufen (links) und Folgekäufen. Beide Listen sind sehr ähnlich, aber bei Folgekäufen tauchen neue Produkte auf, wie „Maze Pen“, „Windup Android“ und „1 oz Hand Sanitizer“, die aus den dominierenden Kategorien „Kleidung“ und „Tassen“ der Erstkäufe fallen. Das wären vielleicht Kandidaten für spezielle Angebote im Rahmen einer Reaktivierungsmaßnahme wie ein Newsletter.

Kann man Wiederkäufer an bestimmten Merkmalen erkennen?

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Abbildung 7: Für Folgekäufe wird das Smartphone weniger benutzt. Was bedeutet das für unsere Marketingstrategie?
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Abbildung 8: Der Anteil der Nutzer des Firefox-Browser ist klein insgesamt, wächst jedoch beim Zweitkauf leicht. Sind das vielleicht besonders Google-affine Kunden?
Data-Driven-Marketing-Blog_Teil3_9 (1)
Abbildung 9: Top-20 Herkunftsländer beim Erstkauf (links) und Folgekäufe (rechts). Kunden aus Venezuela sind die loyalsten, auch die aus Taiwan, Belgien und Argentinien tätigen im Verglich zu anderen öfter einen Zweitkauf.

Ausblick

Die Analyse des Verhaltens nach dem Erstkauf ermöglicht uns, bestehende Marketingstrategien zu bewerten und sinnvolle Maßnahmen auszuloten, um Kunden zu reaktivieren. Neben der Betrachtung der Folgekäufe nach verschiedenen Kriterien lässt sich das Bild noch durch die Analyse der Fälle, bei denen der Kunde nicht wiederkehrt, vervollständigen.

Oft lassen sich nicht klare Tendenzen erkennen, neue Fragestellungen tauchen auf. Bspw. ist nach unserer Analyse des Google Merchandise Stores nicht eindeutig zu erkennen, welche Kunden wir bevorzugt ansprechen sollten, weil sie sich leicht zum Zweitkauf bewegen lassen.

Können wir Kundensegmente für eine differenzierte Ansprache finden?  Oder Kunden automatisch identifizieren, die das Potenzial haben, besonders profitabel zu sein?  Dafür werden wir im nächsten Beitrag die rein deskriptive Analyse verlassen und auf Methoden des Maschinelles Lernens zurückgreifen, um Voraussagen wagen zu können.

Haben Sie Fragen zum Thema Data-Driven Marketing? Kontaktieren Sie uns gerne, um das Thema detaillierter zu besprechen.

Eduardo Torres Schumann

Dr. Eduardo Torres Schumann