Vom Verlag zum Publisher_Beitragsbild_Blog

Auf Knopfdruck – wie Sie im E-Publishing den Workflow in Schwung bringen

Teil 5 der BLOGSERIE:

„Vom Verlag zum E-Publisher – wie Redaktionen und Lektorate die digitale Transformation erfolgreich meistern.“

Lesedauer: 6 Min.

E-Publishing zu betreiben heißt auch, durch elektronisch unterstützte Workflows schnell und effektiv die Datenbasis dafür zu schaffen. Deren Entwicklung muss von den Führungsebenen getragen werden. Grundlage sind ein Redaktionsworkflow als Roundtrip in Word, und ein anschließender Produktionsworkflow auf XML-Basis. Für beide existieren starke Werkzeuge.

Lesen Sie hier die anderen Beiträge dieser Blogserie:

Effizient, konsequent, miteinander: Geschmeidige Abläufe im E-Publishing schaffen

Es ist noch nicht so lange her, dass ich in einem juristischen Fachverlag folgenden Ablauf beobachtet habe: Ein Bundesgericht liefert seine Entscheidungen in Dateiform. Die Texte werden von einem Redakteur ausgedruckt und auf Papier bearbeitet, indem im Wesentlichen Streichungen vorgenommen und kleine Anmerkungen handschriftlich als Fußnoten hinzugefügt werden. Dieses Manuskript geht über die Herstellung an einen Dienstleister, der die Texte erfasst und als PDF zurückliefert. Erneut ausgedruckt, wandern diese zur Korrektur durch Redaktion und Korrektorat. Die handschriftlichen Korrekturen werden vom Erfassungsbetrieb eingearbeitet, der schließlich an den Verlag zur Imprimatur ein fertig umbrochenes Druck-PDF liefert.

Steinzeit-Werkzeuge

Wenig flüssig, ein solcher „Workflow“. Uneffektiv, mit Medienbrüchen Ressourcen und Zeit verschwendend. Woher kommt es, dass sich solche Abläufe bis in die Jetztzeit halten? Die Gründe sind vielfältig und häufig kumulativ. Eine Auslese: Ein auflagenschwaches Produkt steht am Ende seines Lebenszyklus und der Verlag will nicht mehr investieren. Eine elektronische Verwertung der Inhalte steht nicht an. Externe Redaktionen und Schriftleitungen werden „vergessen“. Jahrzehntelang beschrittene Wege scheinen ja zu funktionieren und werden nicht hinterfragt. Renommierte Schriftleiter und alt gewordene Redaktionen pochen auf „bewährte Arbeitsweisen“. Bildschirmarbeit wird nicht akzeptiert.

Wer ist zuständig?

E-Publishing zu betreiben heißt nicht nur, elektronische Produkte an den Markt zu bringen. Sondern auch, durch elektronisch unterstützte Abläufe die Inhalts- und Datenbasis dafür zu schaffen, und zwar so effektiv wie möglich und in einer Geschwindigkeit, die den hohen Anforderungen an die Aktualität eines elektronischen Angebots gerecht wird.

Wer ist zuständig für die Revision alter Arbeitsweisen wie die eingangs beschriebene, für die Definition neuer und schlanker Workflows und die Einrichtung von Plattformen, auf denen sie abgewickelt werden – Redaktion und Lektorat, Herstellung, EP-Abteilung, externe Dienstleister? Die Antwort: alle. Mit einer führenden Rolle in der Herstellung, der es obliegt, die Voraussetzungen für eine multimediale Verwertbarkeit der Inhalte herzustellen. Aber wenn sich Lektorate und Redaktionen dabei quer stellen, funktioniert das nicht.

Flickenteppiche vermeiden

Immer wieder ist zu beobachten, dass in den Verlagen durchaus Kollaborationswerkzeuge und Workflow-Plattformen eingesetzt werden, dies aber nicht konsequent durchgehalten wird. Es bilden sich dann recht schnell Flickenteppiche, die z.B. darin bestehen, dass unter einem Verlagsdach technisch „fortschrittliche“ Zeitschriften ebenso geführt werden wie „steinzeitliche“. Oder dass aus einem definierten Workflow an bestimmten Stellen ausgebrochen wird, weil damit verbundene Arbeitsweisen nicht akzeptiert werden, „es jemand besser weiß“ oder der Inhalt vermeintlich einen Sonderablauf verlange.

Führungsarbeit

Umfassende und vollständige Workflow-Lösungen entstehen und funktionieren nur dann, wenn sich die Verlagsleitung und die Führungskräfte von Lektorat/Redaktion, Herstellung und ggf. IT/EP-Abteilung an einen Tisch setzen, ein gemeinsames Konzept entwickeln, dieses  – u.U. beraten durch einen externen Dienstleister – technisch unterfüttern und, sobald Plattformen entwickelt und eingerichtet sind, deren Einsatz bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch konsequent durchsetzen.

Zu unterscheiden, aber über Schnittstellen verbunden sind dabei ein Redaktions- und ein Produktionsworkflow.

Ein Rundkurs: der Redaktionsworkflow

Zu schaffen und auf einer Redaktionsplattform abzubilden ist ein „Roundtrip“, wie das bei technischen Dienstleistern gerne bezeichnet wird. Die Inhalte werden dabei initial in ein System eingespeist. Sie durchlaufen definierte Bearbeitungs- und Versionierungsschritte in Redaktion und Korrektorat, ermöglichen ggf. eine Preview auf das spätere Endprodukt in Print und Elektronik, binden auch externe Kräfte wie Autoren am Ende des Durchlaufs wieder mit ein. Dieser Rundkurs wird so lange durchlaufen, bis die Inhalte „sauber“ sind.

Alle Bearbeitungsschritte auf allen Stufen erfolgen ohne Medienbruch, d.h. durchgängig elektronisch durch Bearbeitung am Bildschirm.

Am Anfang steht das Word

Wenn wir von Word reden, meinen wir an dieser Stelle strukturiertes, mittels vorgegebener Formatvorlagen erzeugtes Word. Diese Formatvorlagen folgen der im Vorfeld definierten XML-Struktur der Inhalte (siehe hierzu meinen letzten Blogbeitrag !!!Link!!!!) und sind Voraussetzung dafür, dass zu einem späteren Zeitpunkt eine automatisierte Überführung der Word-Daten in XML erfolgen kann.

Wer bringt die Word-Inhalte in diese strukturierte Form, mit allen zusätzlich benötigten Metadaten wie Abstracts und Schlagworten, wer speist die Inhalte also initial ins System ein? Im Idealfall der Autor. Wenn er dazu Willens und in der Lage ist. Wenn nicht, was häufig genug der Fall sein dürfte, ist bereits dieser erste Schritt in den Roundtrip eine Verlagsaufgabe, angesiedelt bei der Redaktion oder einer Redaktionsassistenz.

Kollaboration…

Auf welcher softwaretechnischen Grundlage eine Redaktionsplattform fußt und zum System wird, ist zunächst einmal offen. Sie könnte schlicht in einem definierten Mailverkehr bestehen, im Rahmen dessen Worddateien weitergereicht werden, die mit Änderungs-Nachverfolgung erstellt und mit Vorversionen verglichen werden.

Dies wird jedoch, wenn überhaupt, nur einfachsten Workflows gerecht. Schnell wird man feststellen, dass die simple Word-Versionierung auf der Basis ganzer Dokumente wenig intelligent ist, dass die erforderliche Disziplin in der Verwendung sprechender Dateinamen unter Einschluss von Autor, Bearbeitungsschritt und Versionsnummer nicht aufgebracht wird und das System fehleranfällig ist.

…und spezielle Werkzeuge

Die Darstellung der Vielzahl am Markt befindlicher sogenannter Collaboration Tools würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen; der Anwendungsbereich ist förmlich überflutet und in starker Bewegung. So bietet Microsoft in Office 365 die Module Teams, Planner und Sharepoint. Google treibt Hangouts und die Google docs voran, darüber hinaus existieren zahllose cloudbasierte Dienste.

Allen zu eigen ist, dass sie, irgendwo unter anderem, die gemeinsame Bearbeitung und Versionierung von Dateien beinhalten. Bei allen muss man jedoch ihre Leistungsfähigkeit bezogen auf die eigenen Anforderungen erst einmal ergründen und dann den eigenen Workflow, seine Aufgabenschritte sowie Rollen und Regeln für die Nutzung definieren und in der Anwendung abbilden. Allein diesen Aufwand rate ich niemandem an. Fast alle Anwendungen, die ich auf solcher Basis kennengelernt habe, sind aufgrund ihrer Sperrigkeit in Nichtnutzung versackt. Spezialisiertere Tools sind daher gefragt.

An dieser Stelle soll deshalb nur auf eine Lösung eingegangen werden, die stärker als alle anderen auf die Inhaltserstellung bei Verlagen und die oben geschilderten Bearbeitungsschritte zugeschnitten ist. Sie bringt praktisch alles Notwendige out of the box mit.

Empfehlung: SMASHDOCs

SMASHDOCs zerlegt ein Worddokument in einzelne Abschnitte, sogenannte sections. Das können z.B. Überschriften, Textblöcke, Bilder, Tabellen sein. Diese sections werden in einer Datenbank gespeichert und bilden nun den kleinteiligen Anker- und Verwaltungspunkt für alle Aufrufe, Bearbeitungen, Versionierungen, Kommentierungen und Hinweise, Informationen zum Bearbeiter etc.

Änderungsstellen und die Form der Änderung (Hinzufügung, Streichung, Ersetzung) werden für den Bearbeiter unmittelbar im Text sichtbar. Rollen und Rechte steuern das Lesen, Übersteuern, Weiterbearbeiten, Verwerfen oder die Finalfreigabe der Änderungen. Möglich wird so ein nicht nur sequenzielles, sondern engmaschiges gleichzeitiges Bearbeiten mit hoher Transparenz und enger Kommunikation zwischen allen befassten Personen.

Autors Freund

Der Grundgedanke dieser Lösung ist es, dass der Autor in der initialen Erstellung der Inhalte ganz wie gewohnt in „seinem“ Word arbeitet. Und dies auch weiterhin kann, auch wenn er nicht online ist und auf der Berghütte im Urlaub arbeitet. Denn jederzeit ist eine Rückgabe der bearbeiteten Dokumente aus SMASDOCs in normales Word möglich. Kommt die neue Datei aus den Bergen, wird sie wieder ins System eingecheckt und mit der Letztfassung dort verglichen. Natürlich kann ein geeigneter Autor auch im Onlinesystem mitarbeiten – er muss es aber nicht.

Jederzeit ist es auch möglich, aus der Anwendung heraus eine XML-Fassung des Inhalts zu erzeugen und diese z.B. zur Preview auf einen Satzrenderer zu schicken.

Der große Fluss: Der Produktionsworkflow

Einerlei, auf welcher Plattform der Redaktionsworkflow abgewickelt wurde: Nach finaler Freigabe der Inhalte werden diese in medientechnisch neutrales XML überführt und dem Produktionsworkflow übergeben. Auch danach ist noch zu gewährleisten, dass nicht ganz auszuschließende Reständerungen, die noch spät im XML vorgenommen werden, wieder an das wordbasierte Redaktionssystem zurückgegeben werden können und der Roundtrip dort auf letztem Stand wieder gestartet werden kann.

XML first?

Das Szenario in diesem Beitrag geht als Regelfall davon aus, dass im Produktionsprozess auf vorgelagert erstelltes XML aufgesetzt wird. Der Vollständigkeit halber sei aber gesagt, dass dies kein Dogma sein sollte und es in bestimmten Fällen sinnvoll sein kann, aus dem Redaktionssystem zunächst in konventionellen Satz mit direkter Word-Umwandlung zu gehen, und XML für elektronische Verwertungen nachgelagert zu erstellen. Insbesondere Zeit-, aber auch Kostengründe können dafür ausschlaggebend sein.

Flussgabelung

Ab der Übergabeschnittstelle ist der Produktionsworkflow im Regelfall eine Einbahnstraße, die sich in mehrere Wege aufteilt. Die oben erwähnte späte Änderung im XML sollte die absolute Ausnahme darstellen, muss aber als Notfallmaßnahme möglich sein.

Anzustreben ist ein möglichst hoher Automatisierungsgrad in alle Richtungen. Dabei weise ich jedoch immer darauf hin, dass das im Beitragstitel formulierte „auf Knopfdruck“ in Verlegerköpfen gerne die Vorstellung erweckt, dass eine auf-Knopfdruck-Produktion nicht nur schnell, sondern auch billig vonstattengehen müsse.

Indes kostet Automatisierung Geld, bei komplexen Vorgängen, wie z.B. der Loseblattproduktion, sogar viel Geld. Daher kann es sinnvoll sein, in der Automatisierung nicht die 100%-Marke anzupeilen, sondern ein noch vertretbares Maß an Zwischenschritten zu akzeptieren. Sequenzielle Zwischenschritte können gleichzeitig auch dazu dienen, die Arbeitsergebnisse im Sinne der Qualitätssicherung zu überprüfen.

Ausgabe Print

Automatisierte Satzsysteme können auf validem XML mit hohem Automatisierungsgrad aufsetzen und dabei heute gewaltige Textmengen in sehr kurzer Zeit formatieren. Die Fehlerquoten sind nach einer Anlaufphase außerordentlich gering. Ausgabeformat ist PDF.

Ausgabe E-Book

Mit der Satzgenerierung wird in aller Regel die Ausgabe der E-Book-Datenformate KF8/KFX, EPUB und eventuell noch Mobi mit erledigt.

Ausgabe Online

Je nach Projekt können hier noch sehr umfangreiche Workflowprozesse anfallen: Unterschiedliche Inhalte müssen in einer Portalanwendung zusammengeführt werden, ihre Aktualisierung muss organisiert werden, Verlinkungen sind einzubringen, Portalstrukturen aufzubauen, Indexe zu erstellen, aus XML muss HTML erzeugt werden.

Mächtige Werkzeuge zur Automatisierung und Ablaufsteuerung wie die InfoPilot Workbench von SHI ermöglichen an dieser Stelle schnellste Aktualisierung auch größter Datenmengen, die Verknüpfung mit Redaktionssystemen und den Einsatz fertiger Workflowschablonen sowie Funktions- und Konvertierungsmodule.

Wie checken Lektorate und Redaktionen ihre Workflows?

1. Mit dem gesunden Menschenverstand

Betrachten Sie selbstkritisch Ihre Projekte und die damit verbundenen Abläufe und Arbeitsweisen. Was wird an Inhalten angeliefert und wie wird gearbeitet – wird ausgedruckt, auf Papier redigiert? Wieviel Zeit benötigen Sie? Was wird als Arbeitsergebnis weitergegeben?

Auch wenn es schmerzliche Änderungen liebgewonnener Prozesse bedeuten mag: Elektronisches Publizieren verlangt elektronisches Arbeiten ohne Medienbruch in der Inhaltserstellung. Sprich: Arbeiten in den Daten, am Bildschirm.

2. Im Gespräch mit der Herstellungsleitung

Erörtern Sie, wo möglicherweise die Herstellung eine Optimierung Ihrer Arbeitsabläufe sieht, ob es an anderer Stelle im Haus vielleicht bereits Kollaborationslösungen und Redaktionsplattformen gibt, die Ihnen bei Ihrer Aufgabenstellung weiterhelfen könnten. Oder wo man gemeinsam neu ansetzen könnte.

3. Im Gespräch mit Ihrer Leitungsebene

Wie im Beitrag ausgeführt, erfordert die Einführung neuer Arbeitsabläufe die Zusammenarbeit der betroffenen Abteilungen auf Führungsebene. Wenn Sie Rationalisierungspotential erkennen und aufzeigen, werden die Leitungsebenen ein offenes Ohr haben.

4. Durch eigene Information

Besuchen Sie die Frankfurter Buchmesse oder andere Branchenveranstaltungen, die Themen wie Workflowsteuerung aufgreifen. Machen Sie sich dort ein eigenes Bild an den Ständen der technischen Dienstleister. Was diese dort präsentieren, ist meist gar nicht Technik, sondern deren Anwendung in der Praxis.

5. Durch Analyse

Wenn Optimierungspotential grundsätzlich erkannt ist, muss eine detaillierte Analyse folgen. Dafür eignet sich eine Arbeitsgruppe aus Lektorat/Redaktion und Herstellung, die bestehende und mögliche neue Abläufe durchleuchtet. Die Einbindung bestehender Erfassungs- bzw. Satzdienstleister und Portalplattformanbieter kann sinnvoll sein.

Arbeitsergebnis sollte eine Anforderungsliste sein, die zur Grundlage der neuen Workflowentwicklung wird.

Zu guter Letzt

Mein Rat an Lektorate und Redaktionen: Nehmen Sie das Heft des Handelns in die Hand! Schlanke und zeitgemäße Arbeitsabläufe machen Ihre Produkte stärker, aktueller und wirtschaftlicher. Suchen Sie danach, kämpfen Sie dafür. Wenn erst kaufmännisch bedingte Zwänge oder Umstrukturierungen Auslöser der Durchleuchtung sind, gar durch externe Unternehmensberater, sind die Einschnitte deutlich schmerzlicher.

Ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute zum Neuen Jahr

wünscht

Ihr Hermann Ruckdeschel

Hermann Ruckdeschel

Hermann Ruckdeschel

..., geboren 1952 in Tübingen, studierte Rechtswissenschaften an der Universität Augsburg. Nach dem zweiten juristischen Staatsexamen stieg er unmittelbar in die Fachverlagsbranche ein und begann seine Karriere 1980 als Werbeleiter beim Stuttgarter Richard Boorberg Verlag, wo er später den Geschäftsbereich Vertrieb und Marketing übernahm. In der Geschäftsleitung verantwortete er schließlich langjährig den Geschäftsbereich Produkt- und Medienentwicklung. Heute ist er als selbständiger Berater im elektronischen Fachmedienbereich tätig. Für den SHI-Blog teilt er sein umfassendes Expertenwissen in der Schaffung medienneutraler Datenbestände und daraus generierter Informationsangebote. Lieblingsdateiformat: XML, so semantisch wie möglich.